Rentner

Der erste Rententag | kleine Anpassungsprobleme nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben

05:30

Ich wache auf. Muss es aber eigentlich nicht mehr zu dieser Uhrzeit. Heute ist mein erster Tag als Rentner. Der innere Wecker weckt mich wie in meiner aktiven Zeit als Beufstätiger.

Witzig, dass der innere Wecker auch das Wochenende kennt, an dem er mich länger schlafen lässt.

05:45

Ich beschließe, meinen inneren Wecker umzustellen auf einen späteren Zeitpunkt und versuche, wieder einzuschlafen. Ich habe irgendwelche Albträume im Halbschlaf und bin plötzlich schweißgebadet. Die gesetzliche Rentenversicherung hat angerufen, dass sie sich mit der Berechnung meines Renteneintrittsdatums vertan an. Es liegt noch weitere zwei Jahre in der Zukunft. Insofern müsse ich meinen Arbeitgeber anrufen, dass ich wieder zur Arbeit erscheine.

05:50

Ich stelle fest, dass es glücklicherweise nur ein schlechter Traum war. Durch das auf Kipp stehende Schlafzimmerfenster lausche ich den Alltagsgeräuschen. Weit weg das Dauerrauschen des Autoverkehrs. Aus dem Garten das entspannende Plätschern des Wassers am Gartenteich. Ich dämmere wieder weg.

07:00

Die Hand des besten Ehefrau der Welt krabbelt unter meine Bettdecke und sticht in meinen Bauch, da ich zugewandter Seitenschläfer bin. Sie sagt: „Du bist ja noch da.“ Ich sage: „Ja, ich wohne und lebe hier“. Sie fragt: „Hörst du es auch?“. Ich frage: „Was?“. Sie sagt: „Ich werde in den letzten Tagen von dem Geplätscher der Teichpumpe geweckt. Sie steht noch auf Sommerzeit. Könntest du die bitte  umstellen? Natürlich nur dann, wenn du heute nichts anderes zu tun haben solltest.“ Ich lasse meine Antwort offen.

07:01

Bis acht Uhr ist die Zeit im Badezimmer reserviert für die beste Ehefrau der Welt. Sie braucht nicht eine Stunde, behält sich aber vor, irgendwann innerhalb des Zeitfensters von 7 bis 8 Uhr das Bad ungestört von mir nutzen zu können.

07:02

Die beste Ehefrau der Welt steht nicht auf. Ich spiele gedanklich durch, wie ich meinen ersten Rententag gestalten möchte. Ich könnte mir meine Todo-Liste für die Rentenzeit vornehmen und die von oben beginnend abarbeiten. Ich muss aber den Punkt „Teichpumpe Schaltzeit auf Winterzeit ändern“ vorher noch hinzunehmen.

07:45

Die beste Ehefrau der Welt steht ENDLICH auf. Ich beschließe als erste Maßnahme für meine Rentenzeit, unter der Woche vor 7 Uhr aufzustehen, mindestens 06:30 Uhr, damit ich der besten Ehefrau der Welt nicht im Bad in die Quere komme und nicht sinnlos bis nach 8 Uhr wartend im Bett verweilen muss. Damit wäre die Verstellung des inneren Weckers auch nicht ganz so heftig.

08:01

Die beste Ehefrau der Welt überzieht die für sie reservierte Badezimmerbenutzungszeit.

08:10

Die Schlafzimmertür öffnet sich, die grelle Deckenbeleuchtung geht an. Erschrocken sagt die beste Ehefrau der Welt: „Ich dachte, du wärst schon aufgestanden.“ Ich sage: „Ich wohne und lebe hier. Außerdem bin ich in Rente.“

08:11

Ich stehe auf.

08:20

Verabschiedung der besten Ehefrau der Welt auf ihren Weg zur Arbeit. Sie sagt zum Abschluss: „Ach so, was mir gerade einfällt: der Wasserhahn in der Küche tropft seit Tagen. Das ist ja sinnlose Wasser- und Energieverschwendung.  Könntest du dich bitte darum kümmern? Natürlich nur dann, wenn du heute nichts anderes zu tun haben solltest.“ Ich gebe eine vage Antwort, um mir meine Planung des heutigen Tages noch offenzuhalten.

09:00

In Ruhe Frühstücken, Tageszeitung lesen, Mails checken, aktuelle Nachrichten des Weltgeschehens auf dem Smartphone verfolgen, zwei YouTube-Videos ansehen, nochmal Mails checken, überflüssige Fotos vom Smartphone löschen, auf Toilette gehen, was zu trinken holen, einen grünen Textmarker holen, um Rechtschreibfehler vor allem in den Überschriften der Tageszeitung zu markieren, …

11:00

Ich beschließe, mich um den ersten Tageswunsch meiner Frau zu kümmern, die Zeitumstellung der Teichpumpe auf Winterzeit vorzunehmen. Ich optimiere das. Ich ziehe einfach nur den Stecker der Zeitschaltuhr. Es ist November, eine Zeitumstellung macht insofern nicht mehr viel Sinn, weil die Pumpe während des Winters aus dem Teich entfernt und in der Garage eingelagert wird. Erster Punkt erledigt.

11:05

Ich beschließe, mich um den zweiten Tageswunsch meiner Frau zu kümmern, den tropfenden Wasserhahn in der Küchenspüle. Als erste Sofortmaßnahme stelle ich den Hahn um von Warmwasserentnahme auf Kaltwasserentnahme. Damit wird schon mal die Energieverschwendung beendet. Als zweites stelle ich eine leere Tasse unter den tropfenden Wasserhahn, um zu prüfen, wieviel Wasser innerhalb welchen Zeitraumes verloren geht und damit abzuleiten, ob dieses Thema überhaupt dringlich ist. Ich notiere mir die Startzeit dieser Analyse und den Stand des Wasserzählers im Keller. Ich vermute, dass der Wasserzähler nicht in der Lage ist, eine tropfenweise Entnahme zu messen. Wenn sich das bestätigt, würde sich eine zusätzliche Möglichkeit erschließen, demnächst Wasserkosten dadurch zu sparen, dass man Wasser für das Kochen etc., natürlich unter Berücksichtigung entsprechender Vorlaufzeit, nur tropfenweise entnimmt.

11:10

Da das Tropfproblem durch meine Analysetätigkeiten und die Sofortmaßnahme nur symptomatisch gelöst werden wird, sehe ich mir den Wasserhahn genauer an. Es handelt sich um ein vollkommen geschlossenes System. Schrauben, Klipse o.ä., um ihn auseinanderzunehmen, sind für mich nicht erkennbar. Das ist insofern verwunderlich, weil ja das Teil irgendwie zusammengebaut worden sein muss. Eine Hersteller- oder Modellbezeichnung des Wasserhahns finde ich auf dem Objekt auch nicht.

11:20

Ich schmeiße den PC an und scrolle durch Hunderte von Fotos von Küchenarmaturen, um zu ermitteln, wie der Wasserhahn in unserer Küche heißt. Anhand des Models könnte ich vielleicht auf eine Explosionszeichnung stoßen, aus der hervorgeht, wo die fehlerhafte Dichtung sitzt, ob es sich um eine Keramik- oder Gummidichtung oder was auch immer handelt.

 11:45

Mein innerer Wecker meldet sich. Ich habe Hunger. Es wäre jetzt während meiner aktiven Zeit als Arbeitnehmer Essenszeit in der Kantine gewesen. Auch hier beschließe ich, dass ich mich in der Rente nicht von irgendwelchen Uhren leiten lassen muss. Ich ignoriere das Hungergefühl und scrolle weiter durch die nächsten hundert Küchenarmaturfotos.

11:50

Ich stelle fest, dass der Ansatz, ein Foto unserer Küchenarmatur im Internet zu finden, sinnlos ist. Ich überlege mir einen alternativen Ansatz. Da die Armatur vor mehreren Jahren von einem Handwerker eingebaut wurde, nehme ich den Ordner „Handwerker --> Rechnungen --> ab 2010“ raus. Ich blättere den Ordner Rechnung für Rechnung durch.

12:10

Ich verspüre sehr großen Hunger.

12:15

Ich finde in dem Ordner keine Rechnung zu einer Küchenarmatur. Dementsprechend kann sich die Rechnung nur in einem Ordner befinden, der in einer der Archivboxen im Keller liegen müsste. Der Keller ist komplett vollgestellt. Es dauert ewig, bis ich den Ordner „Handwerker --> Rechnungen --> ab 2000“ gefunden habe. Ich schicke mir selbst eine Mail, damit ich nicht vergesse, in der ToDo-Liste zwei weitere Einträge vorzunehmen: „Keller aufräumen“ sowie „Inhaltsverzeichnis des Archivs anlegen“.

12:20

Ich finde eine Rechnung aus dem Jahre 2005. Allerdings hilft sie mir nicht weiter, da dort nur steht „Küchenarmatur geliefert und installiert.“ Daneben ein horrend hoher Preis. Ich beschließe, das Problem outzusourcen und den Haus-und-Hof-Sanitärinstallateur zu beauftragen, sich um den tropfenden Wasserhahn zu kümmern. Ich rufe den Haus-und-Hof-Sanitärinstallateur an. Eine Ansage vom „Band“ gibt mir sinngemäß zu verstehen, dass ich innerhalb der Mittagspause anrufe und mich gefälligst erst ab 13 Uhr wieder melden solle.

Ich schicke mir selbst eine Mail als Erinnerung, dass ich noch eine weitere Spalte „Outsourcing“ in der ToDo-Liste aufnehme, in der ich vermerke, welche Punkte aus der ToDo-Liste nicht von mir, sondern von jemand anderes erledigt werden könnten.

12:30

Ich gehe in die Küche. Ich stelle fest, dass das Wasser des tropfenden Wasserhahns die darunter abgestellte Tasse gefüllt hat und anscheinend bereits einiges über den Rand in den Abfluss gelaufen ist. Auf dem Zähler der Wasseruhr errechne ich einen Wasserverbrauch von ca. 10 Litern. Das kommt mir spanisch vor. Dann fällt mir ein, dass ich zwischendurch mal auf Toilette war. Meine Analyse der Wassertropftätigkeit ist damit nicht mehr möglich. Allein der Energieverbrauch durch die nicht mehr notwendige Warmwassererwärmung wurde durch die Sofortmaßnahme marginal gesenkt.

Ich leide unerträglichen Hunger. Aufgrund der Fokussierung der Aktivitäten des heutigen Morgens habe ich mir bisher keine Gedanken über mein Mittagessen gemacht. Ich schütte daher Müsli in eine Schale, schütte den Rest der Milch aus dem Kühlschrank darüber und muss feststellen, dass das keine ausreichende Menge von Milch für eine gute Durchfeuchtung des Müslis ist. Im Vorratsschrank entdecke ich noch eine Packung H-Milch, deren Mindesthaltbarkeitsdatum seit einem halben Jahr überschritten ist. Aus Kenntnis meines empfindlichen Magens entsorge ich die Packung ungeöffnet im Restmüll. Als Alternative schütte ich das in der Tasse aufgefangene Tropfwasser und schütte einen großen Teil davon in das Müsli. So hat die Tropfenauffangaktion noch einen gewissen Sinn gehabt.

13:00

Ich rufe beim Haus-und-Hof-Sanitärinstallateur an. Es ist dauerhaft besetzt bzw. es kommt als Ansage „Please hold the line.“ Empfinde ich als merkwürdig für einen kleinen westfälischen Installateur.

13:20

Ich rufe erneut beim Haus-und-Hof-Sanitärinstallateur an. Es nimmt jemand das Gespräch an. Der nächste freie Termin für den Austausch der Dichtung wäre in ca. 4 Wochen. Ich werde gefragt, um welchen Hersteller und welches Modell es sich bei der Küchenarmatur handelt. Ich kann das nicht beantworten. Ich meine, ein leises Stöhnen durch das Telefon zu hören. Ich empfinde das als nachvollziehbar für einen kleinen westfälischen Installateur. Ich beende das Gespräch mit dem Versprechen, es erst einmal selbst zu versuchen.

13:30

Ich stelle fest, dass mir das notwendige Profiwerkzeug, ein Standhahnschlüssel fehlt, um den Wasserhahn von der Granitplatte zwecks weiterer Inspektion zu lösen. Ich fahre zum Baumarkt.

14:00

Im Baumarkt ist kein Personal ansprechbar. Ich finde keine Standhahnschlüssel. Stattdessen sehe ich mir in Gang 15 Dichtungen für Wasserhähne an. Es handelt sich um ca. 50 Varianten mit unterschiedlichem Innendurchmesser, Außendurchmesser, Materialzusammensetzung und Stärlke. Desgleichen informiere ich mich in Gang 14 über mögliche Ersatzwasserhähne. Beende das aber sehr schnell, weil die beste Ehefrau der Welt sicherlich sehr genaue Vorstellungen haben wird.

15:00

Wieder zuhause. Wo ist nur die Zeit geblieben? In einer Stunde ist die beste Ehefrau der Welt von der Arbeit zurück und ich kann nur bei der Hälfte der Aufgaben Ergebnisse vorweisen.

15:10

Mir fällt ein, dass es wahrscheinlich nicht ganz richtig war, das Tetrapack H-Milch komplett in den Restmüll zu geben. Ich hole es aus dem Restmüll, schütte die Milch in die Küchenspüle und falte die Verpackung etwas zusammen, damit ich sie einfacher zu dem Verpackungsmüll geben kann. Ich stelle fest, dass die H-Milch wahrscheinlich noch genießbar gewesen wäre. Sie flockte nicht auf dem Weg durch den Abfluss und roch auch noch normal.

15:30

Ich gehe an den Computer und nenne die ToDo-Liste um in TuDu-Liste, um damit zu unterstreichen, dass ich mehr Aufgaben in meiner Rente an andere delegieren sollte, damit ich mehr Zeit für mich in der Rente habe. Ich checke Mails und prüfe die Aktienkurse. Ich checke abschließend nochmals Mails. Es gibt nur Selbsterinnerungsmails an mich selbst.

16:00

Ich rufe erneut beim Haus-und-Hof-Sanitärinstallateur an. Es nimmt jemand direkt das Gespräch an. Der nächste freie Termin für den Austausch der Dichtung wäre in ca. 6 Wochen. Ich werde gefragt, um welchen Hersteller und welches Modell es sich bei der Küchenarmatur handelt. Ich kann das immer noch nicht beantworten. Ich höre ein Stöhnen durch das Telefon. Als ich anmerke, dass heute Morgen noch ein Termin in 4 Wochen möglich gewesen wäre, bekomme ich als Antwort, dass es jetzt nachmittags ist. Ich empfinde das toll für einen kleinen westfälischen Installateur. Ich vereinbare einen Termin in 6 Wochen und man informiert mich, dass ich mich an dem terminierten Tag auf der Baustelle von acht bis acht zur Verfügung halten solle.

16:30

Die beste Ehefrau der Welt trifft ein. Sie hat Feierabend und Redebedarf, Einkaufsbedarf, Spaziergehbedarf und weitere Bedarfe. Ich nehme mir Zeit für sie.

17:30

Mir fällt ein, dass es nicht gut war, nur den Stecker der Teichpumpe zu ziehen. Der Schlamm im Filter würde ziemlich schnell trocknen und verhärten, wenn er nicht mehr vom Wasser umspült wird. Das würde den herbstlichen Reinigungsaufwand der vielen Filterscheiben unnötig erhöhen. Ich stecke den Stecker wieder ein.

18:30

Die beste Ehefrau der Welt greift zur Tageszeitung und fragt mich, warum einige Überschriften grün markiert sind. Ich erkläre es ihr und merke, dass ich mich um diesen Punkt noch nicht weiter gekümmert habe.

19:00

Wir essen in der Küche zusammen Abendbrot. Ich meine zu bemerken, dass irgendwann der Blick der besten Ehefrau der Welt auf den tropfenden Wasserhahn fällt. Ich kann berichten, dass ich die Tätigkeit des Küchenarmaturdichtungsaustauschs outgesourced habe. Ich stelle fest, dass dieses Vokabular nicht angemessen, geschweige denn verständlich ist im privaten Umfeld.

19:30

Die beste Ehefrau der Welt fragt, warum denn die Küchenspüle so eklig schmierig ist und nach fauler Milch müffelt. Ich mache sie sauber.

20:00

Wir sehen Nachrichten. Ich döse ziemlich schnell weg und merke, dass mich der Tag ordentlich geschafft hat.

21:00

Ich gehe an den Computer. Ich checke Mails. Ich bearbeite die an mich selbst adressierten Mails und nehme drei weitere Punkte in der TuDu-Liste auf: „Teichpumpe Schaltzeit auf Winterzeit ändern“, „Keller aufräumen“ sowie „Inhaltsverzeichnis des Archivs anlegen“. Ich befürchte, dass diese Tätigkeiten an mir hängenbleiben, dass ich sie nicht outsourcen kann. Auch viele andere Punkte aus der Liste werde ich selber machen. Ich nenne die TuDu-Liste daher wieder in ToDo-Liste um.

In der Rente wollte ich eigentlich mehr machen, was mir Spaß macht. Ich füge daher in der ToDo-Liste eine neue Spalte „Spaßfaktor“ ein, um damit eine Reihenfolge der mittlerweile 255 Punkte festzulegen. Auf der Skala von 0 (kein Spaß) bis 5 (äußerster Spaß) bewerte ich die Punkte. Bei einer anschließenden absteigenden Sortierung stelle ich fest, dass es nur drei Punkte gibt, die über den Level 3 hinausschießen. Die meisten Bewertungen bewegen sich von 0 bis 1. Ich lösche die Spalte „Spaßfaktor“ wieder, da sie mir keine Orientierung bietet.

Ich fülle die neue Spalte „Outsourcing“ mit den Werten „ja“ bzw. „nein“. Ich stelle fest, dass es nur wenige Punkte gibt, die ich praktisch und einfach outsourcen kann. Bei allen anderen Punkten wäre es theoretisch möglich, ich hätte aber große Aufwände, um dem Outsourcer alles zu erklären oder zu zeigen. Ich lasse diese Spalte erst mal stehen und sichere die Excel-Tabelle, die die ToDo-Liste enthält.

22:00

Ich verabschiede mich von der besten Ehefrau der Welt Richtung Bett und begründe das damit, dass ich mich noch an die Rentenzeit gewöhnen muss, die Umstellung schwerfällt.

22:30

Die Hand der besten Ehefrau der Welt krabbelt unter meine Bettdecke und sticht in meinen Bauch, da ich zugewandter Seitenschläfer bin. Sie fragt: „Bist du noch wach?“ Ich sage: „Nein, jetzt nicht mehr“. Sie fragt: „Hörst du es auch?“. Ich frage: „Was?“. Sie sagt: „Das Geplätscher der Teichpumpe – wieso um diese Zeit? Ich kann nicht einschlafen.“ Ich erkenne, dass ich einen Riesenfehler gemacht habe. Das Pausieren der Teichpumpe durch Steckerziehen hat dazu geführt, dass die Ausschaltzeit nach hinten in die Nachtzeit gewandert ist.

22:35

Ich stehe auf, gehe ins Wohnzimmer. Lasse die Rollladen hochfahren. Ich gehe auf die Terrasse. Es regnet. Barfuß mache ich mich auf den Weg zum Teich. Ich ziehe den Stecker ein zweites Mal an diesem Tag. Mein Schlafanzugoberteil ist nass vom Regen. Ich gehe wieder zurück ins Wohnzimmer. Ich fahre die Rollladen wieder runter.

22:45

Ich bin wieder im Bett. „Danke“ säuselt die beste Ehefrau der Welt im Halbschlaf.

22:50

Mir ist kalt und es ist ein unangenehmes Gefühl mit dem nassen klebrigen Schlafanzugoberteil im Bett.

23:00

Die beste Ehefrau der Welt schläft entspannt. Ich stehe auf, um mir einen trockenen Schlafanzug anzuziehen. Ich wechsle sowohl Ober- als auch Unterteil, damit die Paarung der Wäschestücke nicht durcheinanderkommt.

23:30

Ich ziehe Bilanz des ersten Rententages. Noch stark verbesserungswürdig. Kein geplantes Vorgehen nach der ToDo-Liste, sondern Abarbeiten von Spontanaufträgen. Außerdem die ToDo-Liste um drei weitere Punkte erweitert. Ich rechne hoch, wie umfangreich die Liste am Ende des Jahres sein wird, wenn täglich neue Punkte dazukommen und diese Anzahl höher ist als die Anzahl der erledigten Punkte.

24:00

Ich träume von TuDu-Listen und ToDo-Listen und einer überschwemmten Küche. Ich schrecke hoch. Mir fällt ein, dass ich mich noch gar nicht um die grün markierten Rechtschreibfehler in der Tageszeitung gekümmert habe, geschweige denn eine Strategie entwickelt habe, was ich damit überhaupt machen will. Ich schreibe mir eine Mail an mich selbst, um mich für den morgigen Tag daran zu erinnern. Ich hoffe, dass die beste Ehefrau der Welt die heutige Tageszeitung noch nicht zum Altpapier gegeben hat – oder noch schlimmer, als saugende Unterlage im Komposteimer verwendet hat.

Dann wären fast alle Bemühungen an meinem ersten Rententag sinnlos gewesen.

Ich sage mir: „Alles wird gut“. Ich mache Atementspannungsübungen, anschließend Progressive Muskelentspannung, um entspannt das aufregende Tageswerk hinter mir zu lassen und dann besser einschlafen zu können.

00:10

Ein letzter Blick auf die Uhr. Es war ein langer Tag. Ein ereignisreicher erster Rententag. Aber eigentlich muss ich doch nicht mehr so viel wegschaffen. Ich bin nicht mehr auf der Arbeit. Ich bin nur noch in Rente.

Und jetzt hat ja schon der zweite Rententag begonnen ...