Wenn man in einem Konzentrationslager geboren wird, lässt es sich oft nicht mehr nachvollziehen, wann der genaue Geburtstag war. Christian Pfeil wurde daher Jahre später ein Tag im Januar 1944 zugeteilt.
Wenn man die Grausamkeiten eines Konzentrationslagers überlebt, "ist das ein Wunder", wie Christian Pfeil in seinem Zeitzeugengespräch am 22.04.2024 in Münster sagte. Vielleicht ist es aber auch seinem Vater geschuldet, der als Musiker auf den Festen der SS-Offiziere nahe dem Lager spielen musste "bis seine Finger wund und blutig" waren und er dafür Lebensmittel bekam, womit er seine Familie auf minimalstem Niveau versorgen konnte.
Wenn man viele Jahre später nach dem Ende des 2. Weltkrieges mit einem Lied versucht, das Ganze zu verarbeiten, in einem Lied, das den Titel trägt "Nie wieder Großdeutschland, heil Hitler" und Neonazis deswegen zweimal die Existenz von Christian Pfeil vernichten, dann hat das Lied offensichtlich verstimmt.
Nun ist es auch verstummt.
Aber nicht Christian Pfeil.
Christian Pfeil (81 Jahre) singt sein Lied nicht mehr. Der Schmerz und die Angst sitzen zu tief. Aber Christian Pfeil selber ist nicht verstummt. Er sieht seine Aufgabe darin, über sein Leben zu berichten und davor zu warnen, dass "es nochmal passiert".
Sein Neffe begleitet ihn bei seinen Zeitzeugengesprächen inner- und außerhalb Deutschlands. In der Pause konnte ich mich länger mit ihm unterhalten. Er erwähnte, dass sein Onkel letztes Jahr vor der UNO eine Rede halten durfte, und er sich darauf freut, bald die Ehrenbürgerwürde der Stadt Trier zu erhalten, der Stadt, aus der seine Familie in das Konzentrationslager deportiert wurde, der Stadt, in der die Familie nach dem Krieg zurückkehrte und weiterhin Diskriminierung erfahren hat, der Stadt, in der Neonazis zweimal seine Restaurants verwüsteten ...
Ein Bericht über den beeindruckenden Menschen Christian Pfeil ist in der ARD-Mediathek aufrufbar: "Trotz allem". Ab Minute 28 geht es um sein Lied ...
Ein Zitat von Christian Pfeil, das mich nachdenklich gemacht hat: "Sagen Sie, was nicht richtig ist, sonst machen Sie sich demnächst ein Leben lang Vorwürfe ..."